1922 wurde die Christengemeinschaft als Bewegung für religiöse Erneuerung von 45 zumeist noch sehr jungen Männern und Frauen rund um den evangelischen Prediger Friedrich Rittelmeyer begründet. In ihr ist von Anfang an das Priestertum der Frau verwirklicht. Sie hatten sich um Rat und Hilfe an Rudolf Steiner gewendet, wie vor und nach ihnen schon viele andere Menschen aus den verschiedensten Berufsgruppen. Die Waldorfschulen und Waldorf-Kindergärten, die biologisch-dynamische Landwirtschaft, die anthroposophische Heilpädagogik, die anthroposophische Medizin mit eigenen Krankenhäusern, ein Ansatz für eine zukünftige Gesellschaftsordnung (Dreigliederung des sozialen Organismus), ein gesundes Bankwesen und vieles andere ist dadurch in die Welt gekommen. Die Christengemeinschaft ist so Teil einer Bewegung für die Erneuerung der gesamten Kultur. Zwar steht diese auch hundert Jahre nach ihrem Entstehen noch am Anfang ihrer Wirksamkeit, dennoch sind ihre Anregungen bereits an vielen Orten zu finden.
Eines der zentralen Anliegen der Christengemeinschaft ist die absolute Freiheit im religiösen Leben. Dass diese Freiheit in keiner Weise angetastet wird, liegt schon in dem Wort aus dem Evangelium „Ihr werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen“ (Joh. 8,32). Eine solche freiheitliche und angstfreie Religionsausübung ist dem modernen, nach einer zeitgemäßen Spiritualität suchenden Menschen angemessen.
Wenn Sie über die neuesten Entwickelungen der Christengemeinschaft im Bilde sein wollen, empfehlen wir sehr unsere monatlich erscheinende Zeitschrift Die Christengemeinschaft.
Nach der Katastrophe des Ersten Weltkrieges (1914-18) suchten viele Menschen nach Wegen geistiger bzw. religiöser Erneuerung, auch in Kreisen der christlichen Kirchen. Die Frage nach zeitgemäßen Formen des religiösen Lebens bewegte eine Gruppe meist junger Theologen, die dem bekannten protestantischen Pfarrer Friedrich Rittelmeyer (1872-1938) nahe standen. Sie wandten sich mit dieser Frage an Rudolf Steiner (1861-1925), den Begründer der modernen Geisteswissenschaft (Anthroposophie). Dieser hatte schon auf vielen Gebieten des kulturellen und sozialen Lebens erneuernde Impulse geben können. So wurde er auch zum Ratgeber und „Geburtshelfer“ einer Bewegung für religiöse Erneuerung. Sie wurde 1922 in Dornach/Schweiz begründet und nannte sich „Die Christengemeinschaft“.
In diesem Namen kommt ihr menschheitlicher Charakter zum Ausdruck. Während alle bisherigen Namen an ein Volk (römisch-katholisch, russisch-orthodox usw.) oder einen Begründer (lutherisch, calvinistisch usw.) anknüpften, ist dieser Name von vornherein grenzenlos.
Die zweitausendjährige Geschichte hat durch Dogmenstreit und Machtkämpfe politischer Art die Christenheit in viele Gruppierungen gespalten. In vielen Menschen lebt heute das Gefühl, dass eine Fortsetzung dieser Spaltungen keinen Sinn mehr hat. Im Namen „Die Christengemeinschaft“ liegt die Verheißung einer Vereinigung im Geist gegenseitiger Achtung und Toleranz. Alles sektiererische Sich-Abschließen und Ausgrenzen oder andere „Missionieren“ ist dem Wesen der Christengemeinschaft fremd. Sie ist ihrem Ideal nach die Gemeinde der freien Geister.
Ihre wesentlichen Merkmale sind:
Der Gottesdienst der Christengemeinschaft heißt: Die Menschenweihehandlung. Der ungewohnte Name sagt aus: als heutige Menschen sind wir erst unterwegs zu uns selbst. Um im vollen Sinn Mensch zu werden, bedürfen wir der Menschen-Weihe, die uns Christus – der Gott, der selbst Mensch war und so die Bestimmung des Menschen erfüllte - geben kann. Die Menschenweihehandlung gipfelt im Sakrament der Kommunion.
Diese neue Form des Gottesdienstes ist ein gemeinsames Üben der Achtsamkeit. Oft sagen Menschen nach der ersten Teilnahme, wie sehr sie die Stille im Raum berührt habe. Diese ist wirklich, wenn sehr viele Menschen versammelt sind, oftmals sehr besonders. Gerade die Stille hilft uns, ganz zu uns selber zu kommen.
In der Christengemeinschaft werden mit neuen Ritualen sieben Sakramente vollzogen, die das Menschenleben von der Geburt bis zum Sterben begleiten: die Taufe, die Konfirmation, die Kommunion (Abendmahl), die Beichte (in einer völlig neuen Intention!), die Trauung, die Letzte Ölung, die Priesterweihe.
In den zwölf Sätzen des Credo (Bekenntnis) der Christengemeinschaft werden die christlichen Heilswahrheiten nicht als verpflichtende Glaubensartikel („Ich glaube an …“), sondern als zum Besinnen einladende Aussagen dargeboten. Jeder kann sie sich frei zu eigen machen (Bekenntnisfreiheit).
Der Eintritt als Mitglied geschieht im Erwachsenenalter durch den freien, individuellen Entschluss. Das Mitglied ist bereit, mitverantwortlich die Existenz der Bewegung zu ermöglichen. Finanziell existiert die Christengemeinschaft ausschließlich durch freiwillige Zuwendungen ihrer Mitglieder und Freunde.